Die rote Kreidler Florett

Das Gefängnis in Dinslaken. Es ist Herbst und schon dunkel. Werner sitzt startbereit auf seiner knatternden Kreidler Florett. Mit aller Kraft schleudere ich eine Runkelrübe über die Gefängnismauer. Volltreffer! Es ist gelungen! Schnell laufe ich zu Werner, schwinge mich hinter ihn auf die Sitzbank seines Mopeds, und er gibt Vollgas – Flucht in den dunklen Nebel.

So geschehen 1969. Mein Schulfreund Werner hatte die rote Kreidler Florett von seinem Onkel aus Hohenstadt auf der Schwäbischen Alb bekommen. Das wunderbare Fahrzeug traf mit der Bahn ein, und gemeinsam holten wir es am Bahnhof ab. Als wir die Probefahrt von Dinslaken nach Bruckhausen machten, war das Rücklich defekt und angemeldet war das Moped auch noch nicht. Aber diese Fahrt musste einfach sein. In den nächsten Wochen sind wir ständig umhergefahren, einmal sogar bis nach Düsseldorf und das – trotz kleinem Nummernschild – über die A 59.

Höhepunkt unserer juvenilen kriminellen Energie war dann der Raub einer besonders üppigen Runkelrübe, frisch vom Feld in der Nähe der Emscher entwendet. Ich hielt die Beute fest im Arm und Werner lenkte die Kreidler stoisch Richtung Knast. Meine Hoffnung: Wenn es mir gelingt, die Rübe über die Mauer zu schmeißen, dann wird im Knasthof eine Alarmsirene ertönen. Doch als uns das treue Fluchtmoped nach vollzogener Tat eilig von dannen trug, war zu unserer großen Enttäuschung kein schriller Ton zu hören. Oder aber sauste die großartige Kreidler schneller als der Schall? Ja, das wird es wohl gewesen sein.

–> Das Gefängnis Dinslaken heute


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