Vom Faulturm in die Kantine

„Betriebsmanager Mittlere Emscher“ lautet die offizielle Jobbezeichnung von Dr. Torsten Frehmann. Als er von meiner Forschungsreise in der Zeitung liest, lädt er mich sofort zu einem Besuch der Kläranlage Bottrop ein. Seine Einladungsmail offeriert einen „Blick von unseren Faulbehältern“ sowie ein „Mittagessen in unserer Kantine“. Wer könnte das ausschlagen! Im Vorzimmer empfangen mich die bemerkenswert freundlichen Damen Andrea Werner und Rebecca Womela. Nachdem wir ihren persönlichen Bezug zur Emscher erörtert haben, erscheint Torsten Frehmann. In Essen geboren, in Essen studiert, in Essen promoviert hat er mit seinem Job erstmals Essen verlassen – und fühlt sich sauwohl hier. Blitzgescheit und humorvoll zugleich klärt er mich über zahlreiche Details der Kläranlage auf. Immerhin ist sie zuständig für das Abwasser von 1,3 Millionen Menschen, womit sie eine der ganz dicken Anlagen Europas ist. Dann gehts ab aufs Betriebsgelände. Hier stellt er mir Ralf Tessmer vor. Der sympathische Betriebstechniker ist Arbeitssicherheitsbeauftragter (war mein Vater auch) und wird jetzt temporär zum Fotografen befördert – für Torsten Frehmann und mich. Wir passieren Faulbecken, wo es erstaunlich wenig zu schnüffeln gibt, und erklimmen die 54 m hohen, ostereierförmigen Faultürme. Mit einem Gesamtvolumen von 60.000 m³ sind sie Weltmeister. Von hoch oben sehen wir das immense Betriebsgelände. Das in den Ostereiern entstehende Klärgas und ein Windrad sichern fast vollständig die Stromversorgung der Kläranlage. Aber hier oben kann es zu einer Gaswarnung kommen. Ralf Tessmer klärt mich auf: Wenn irgendwoher zu viel Gärgase sickern sollten, dann schimpft sofort sein Gaswarngerät. Ab 4,4 Volumenprozente Methan reicht der kleinste Funke, damit es derbe knallt. Doch ich bin weiterhin sorgenfrei, denn der letzte Unfall auf dem Betriebsgelände liegt mehr als 200 Tage zurück. Und es droht eher ein umgeknickter Fuß durch Karnickellöcher (kein Quatsch). Nun führt mich Torsten Frehmann in die Kantine, wo mich pausierende Emschermenschen in ihre Runde aufnehmen. Er spendiert mir eine prächtige Frikadelle und verabschiedet sich dann herzlich. Der emsige Mann muss nach Essen. Im Hirn der Emschergenossenschaft erwartet ihn ein wichtiger Termin.

Nun befinde ich mich in der Obhut von Lars Günther, Betriebsleiter der Kläranlage. Der geborene Detmolder lebt sein acht Jahren im Ruhrgebiet und es gefällt ihm hier. Kein Wunder, denn seine positive Ausstrahlung passt bestens ins Emscherland. Mit dem Dienstrad geleitet mich Lars Günther zum nahegelegenen Pumpwerk Boye. Hier öffnet mir Betriebsleiter Sebastian Daszkowski die Türe zum Pumpwerk A, wo uns ein beeindruckendes Brummen empfängt. Vier Pumpen wohnen hier seit 1958. Erstaunlich leichtfüßig saust Sebastian Daszkowski die Treppen hinab (das muss am Training liegen) und präsentiert mir die hochinteressanten Details eines treu arbeitendes Pumpsystem. Abwasser aus der Industrie und aus dem Emschernebenfluss Boye bekommen hier den notwendigen Schwung verpasst. Wenn Hochwasser droht, dann wird nebenan Pumpwerk B geweckt. Dessen vier enorm starke Pumpen haben einen eigenen Zulauf und werden im Einsatz nicht automatisch, sondern von den Argusaugen der Fachleute beaufsichtigt. Sehr anschaulich schildert mir Sebastian Daszkowski die Betriebsabläufe. Der sympathische Elektroingenieur ist zuständig für insgesamt 55 Pumpwerke, die im Mittelabschnitt der Emscher ohne Unterlass rackern müssen. Heute habe ich endgültig begriffen, wie viel Technik still und leise, also neben und unter der Emscher, dafür sorgt, dass Schmutzwasser und Hochwasser keine akute Bedrohung mehr darstellen. Danke, Bottrop!

—> Kläranlage Bottrop und Pumpwerk Boye, In der Welheimer Mark 190, 46238 Bottrop


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