Frau Gabi und ihr Sohn Martin
Schon 2016 war ich bei Frau Gabi zu Gast. Ihre nette Nachbarin hatte mir verraten, dass Frau Gabi gelegentlich Radfahrern Unterkunft gewähre. Seit ihre Söhne aus dem Haus waren, wollte sie wieder ein wenig Leben im Haus spüren. Und so fand ich im ehemaligen Jugendzimmer ihres Sohnes Arthur für drei Tage ein wunderbares Obdach. Nachts ist Frau Gabis Haus von himmlischer Ruhe umgeben. Und tagsüber ist es ein strategisch günstiger Ausgangspunkt für den ganzen Recklinghauser Süden. Er wird von der Emscher begrenzt und hat viel zu bieten.
Nun bin ich wieder da. Diesmal habe ich das Glück, dass Frau Gabis Sohn Martin für ein paar Tage zu Besuch ist. Er mäht seiner Mutter nicht nur den Rasen, sondern nimmt sich auch Zeit für mich. Mit ihm und seiner Mutter sitze ich im Wohnzimmer. Schmunzelnd berichten sie mir, dass ein gewisser Ralf Moeller seinerzeit erwogen habe, das Haus zu kaufen. Ja, der Ralf Moeller, der als Hollywood-Filmbösewicht bekannt geworden ist. Immerhin ist er in Recklinghausen aufgewachsen. Aber wer weiß, ob mir dann auch eine so herzliche Unterkunft geboten worden wäre? Als die Straße 1987 erschlossen wurde, bezog also die Familie statt Ralf Moeller das Haus. Doch schon ein Jahr später starb Vater Arthur an den Spätfolgen seiner Kriegsgefangenschaft. Obwohl er schon so viele Jahre nicht mehr bei ihnen ist, sprechen Sohn und Frau mit großer Herzlichkeit über ihn. Ich spüre, er ist immer noch gegenwärtig.
Die Familie ist kosmopolitisch. Vater Arthur war ein gebürtiger Emschermensch. Doch seine Liebe entbrannte zu einer Frau in der Slowakei. Frau Gabis Eltern waren Winzer, sie lebten also in einer reichlich anderen Welt. Außerdem hegten sie Zweifel, ob der Deutsche einen guten Leumund habe. Daher baten sie ihren örtlichen Pfarrer, heimlich Auskünfte bei seinem Recklinghauser Kollegen einzuholen. Heute lächeln beide über diesen Versuch, denn der Pfarrer fragte Vater Arthur, was er seinem slowakischen Kollegen antworten solle. Sohn Martin arbeitet für einen großen international agierenden Automobilkonzern. Dazu muss er viel reisen. Ist es daher verwunderlich, dass er seine Frau in Spanien gefunden hat? Oder ist er – wie ich überlege – unbewusst in die Fußstapfen seines Vaters getreten und hat sich daher in der Ferne nach einer Frau fürs Leben umgesehen? Ich habe versäumt, mich nach dem weiteren Sohn Arthur zu erkundigen. Aber das mache ich beim nächsten Mal, wenn ich wieder im Süden von Recklinghausen bin. Solch gastliche Orte suche ich gern wieder auf.
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